Geringerer Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit "Null"
Arbeitnehmer erwerben für die Zeiträume, in denen sie wegen Kurzarbeit „Null“ durchgehend nicht gearbeitet haben, keine Urlaubsansprüche. Da die Arbeitspflicht während dieser Zeit aufgehoben ist, entstünden auch keine Urlaubsansprüche.
Der Arbeitgeber könne daher den Jahresurlaub anteilig kürzen, wie das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG Düsseldorf) mit Urteil vom 12. März 2021 (Az.: 6 Sa 824/20) entschied.
Sachverhalt
Die Klägerin ist bei der Beklagten, die einen Betrieb der Systemgastronomie betreibt, als Verkaufshilfe im Rahmen einer Drei-Tage-Woche als Teilzeitkraft beschäftigt. Arbeitsvertraglich stehen ihr pro Jahr 28 Werktage bzw. umgerechnet 14 Arbeitstage Urlaub zu. Ab dem 1. April 2020 befand sich die Klägerin aufgrund der Corona-Pandemie bis Dezember wiederholt in Kurzarbeit „Null“. In den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 bestand diese durchgehend. Im August und September 2020 gewährte die Beklagte der Verkaufshilfe insgesamt 11,5 Arbeitstage Urlaub. Sie war der Ansicht, dass der Urlaubsanspruch der Mitarbeiterin damit komplett erfüllt sei, da mangels Arbeitspflicht während der Kurzarbeit „Null“ keine Urlaubsansprüche entstünden.
Dem trat die Klägerin mit der Behauptung entgegen, dass Kurzarbeit keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche habe. Konjunkturbedingte Kurzarbeit erfolge nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers, sondern im Interesse des Arbeitgebers. Kurzarbeit sei keine Freizeit. Vielmehr habe die Klägerin währenddessen Meldepflichten unterlegen und habe ihre freie Zeit auch nicht planen können, da es der Beklagten möglich gewesen sei, die Kurzarbeit kurzfristig vorzeitig zu beenden. Sie begehrte deshalb die Feststellung, dass ihr für das Jahr 2020 der ungekürzte Urlaub von 14 Arbeitstagen zustehe, d.h. noch 2,5 Arbeitstage.
Das Arbeitsgericht Essen wies die Klage ab. Gegen das klageabweisende Urteil ging die Klägerin in Berufung vor dem LAG Düsseldorf.
Entscheidungsgründe
Nach den Feststellungen des LAG Düsseldorf hat die Klägerin aufgrund der Kurzarbeit „Null“ in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 keine Urlaubsansprüche gemäß § 3 Bundesurlaubsgesetz erworben. Der Jahresurlaub 2020 stehe ihr daher vielmehr nur anteilig im gekürzten Umfang zu. Die LAG-Richter führten dazu aus, dass für jeden vollen Monat der Kurzarbeit „Null“ der Urlaub um ein Zwölfel zu kürzen sei, was im vorliegenden Falll sogar eine Kürzung um 3,5 Arbeitstage ergeben würde. Zweck des Erholungsurlaubs sei, dass sich der Arbeitnehmer während dieser Zeit erholen könne. Dies setze eine Verpflichtung zur Tätigkeit voraus. Während der Kurzarbeit seien die beiderseitigen Leistungspflichten aufgehoben, so dass Kurzarbeiter wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer zu behandeln seien. Auch deren Erholungsurlaub sei anteilig zu kürzen.
Diese Bewertung stehe im Einklang mit dem Europäischen Recht. Das LAG Düsseldorf verweist insoweit auf die Rechtsprechung des EuGH. Dieser habe bereits entschieden, dass während Kurzarbeit „Null“ der europäische Mindesturlaubsanspruch gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG nicht entstehe. Im deutschen Recht gebe es dazu keine günstigere Regelung. So bestehe diesbezüglich weder eine Spezialregelung für Kurzarbeit noch ergebe sich etwas anderes aus den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes. Vor allem sei Kurzarbeit „Null“ nicht mit einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vergleichbar. Daran ändere auch der Umstand, dass die Kurzarbeit der Klägerin durch die Corona Pandemie veranlasst ist, nichts.
Hinweis: Das LAG Düsseldorf hat die Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen.
Bewertung / Folgen des Urteils
Soweit diesseits bekannt, hat mit dem LAG Düssedorf erstmalig ein höherinstanzliches Gericht über die Frage der Urlaubskürzung im Zusammenhang mit einer coronabedingten Kurzarbeit „Null“ entschieden. Das LAG-Urteil steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, auf das es ausdrücklich Bezug nimmt.
Bereits die EuGH-Richter hatten in verschiendenen Vorlageverfahren festgestellt, dass sie eine mögliche Reduktion des Urlaubsanspruchs auf null für europarechtskonform halten und darauf verwiesen, dass Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit nur dann entstehen, wenn diese in dieser Zeit tatsächlich auch eine Arbeitsleistung erbracht haben.
Es spricht somit vieles dafür, dass sich der Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit automatisch reduziert. Ist der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit mithin noch tage- oder wochenweise tätig, ist der Urlaubsanspruch während der Kurzarbeit pro rata temporis an die Zahl der verbleibenden Arbeitstage anzupassen.
Es bietet sich an, dass der Arbeitgeber die betroffenen Arbeitnehmer über eine solche Kürzung – im Rahmen seiner nach Auffassung des EuGH und des BAG ohnehin bestehenden Pflicht zur Information und Aufforderung, den Urlaub zu nehmen – unterrichtet.
Pressemitteilung des Landesarbeitsgericht Düsseldorf
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