Porträt Sebastian Saule Geschäftsführer WFBB
DAVID MARSCHALSKY

Interview mit Sebastian Saule, Geschäftsführer der WFBB"Die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien wird zunehmend zum Standortvorteil"

Das Land Brandenburg setzt auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Diese Faktoren spielen auch bei der Ansiedlung von Unternehmen eine bedeutende Rolle. Das sagt Sebastian Saule, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Land Brandenburg GmbH (WFBB). Sie unterstützt Unternehmen seit mittlerweile 20 Jahren.



Herr Saule, seit 20 Jahren gibt es jetzt Wirtschaftsförderung in Brandenburg aus einer Hand. Wie sieht Ihre Bilanz aus?

Sebastian Saule: 2001 war die Geburtsstunde eines Erfolgsmodells. Da wurde die Wirtschaftsförderung des Landes gegründet – damals noch als Zukunftsagentur Brandenburg (ZAB). Sie ist hervorgegangen aus einer klassischen Wirtschaftsförderung, aus der Energieagentur und der Technologie- und Innovationsagentur des Landes Brandenburg. Damit waren erstmalig alle wirtschaftsfördernden Einrichtungen des Landes unter einem Dach in einer Gesellschaft verbunden. 2014 kam der Bereich Fachkräfte hinzu. Damit verfügt Brandenburg über eine moderne Wirtschaftsförderung mit einem breiten Leistungsspektrum. Das ist ein rundes, stimmiges Paket..

Es ist nicht selbstverständlich, dass eine Wirtschaftsförderung all diese Themen behandelt. Viele Bundesländer haben dafür unterschiedliche Gesellschaften. Wir haben das Gefühl, dass wir mit unserem Modell die Synergien besser nutzen können.  

 

Wie war die wirtschaftliche Ausgangssituation für die ZAB 2001?

Sebastian Saule: Es war der Beginn eines wirtschaftlichen Aufschwungs in Brandenburg. Wir erinnern uns: Die 90er waren eher geprägt von einer starken De-Industrialisierung nach dem Mauerfall. Alte Märkte waren weggebrochen, neue noch nicht erschlossen. Die Arbeitslosigkeit lag gerade in den Berlinfernen Regionen im zweistelligen Bereich. Wir hatten insofern schon eine schwierige Ausgangslage. Umso so erfolgreicher aber war der Aufschwung, der Anfang der 2000er begann.



Ist der Arbeits- und Themenumfang jetzt die Grenze dessen, was man unter einer modernen Wirtschaftsförderung versteht?

Sebastian Saule: Im Prinzip sind wir eine Full-Service-Agentur. Das bietet auch viele Synergien. Ein Beispiel: Früher war es vor allem die Flächenverfügbarkeit, die für eine Ansiedlung entscheidend war. Dann kam die Verfügbarkeit von Fachkräften hinzu. Und jetzt spielt die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien eine wesentliche Rolle. Das sind die Standortvorteile, die wir aus einer Hand präsentieren können. Mit dem Themenumfang sind wir da optimal aufgestellt.

Innerhalb der Themen entwickeln wir uns aber immer weiter. Da führen wir zum Beispiel gerade eine digitale Plattform als neues Werkzeug zur Vernetzung ein. Moderne Wirtschaftsförderung ist ein atmendes System.

 

Wie stehen wir heute da?

Sebastian Saule: Die Brandenburger Wirtschaft hat eine positive Entwicklung genommen. Im vergangenen Jahr zählte Brandenburg zu den wenigen Standorten, die einen Zuwachs bei der Bruttowertschöpfung erzielt hat. Wir sehen, dass sich die Anstrengungen der Unternehmen, der Menschen und der wirtschaftsfördernden Organisationen gelohnt haben. Es ist uns gelungen, viel Traditionelles zu erhalten und in die Zukunft zu überführen. Die Chemie-, Stahl- und Metallstandorte spielen heute immer noch eine wichtige Rolle. Neue, dynamische Branchen wie zum Beispiel Automotive und Luftfahrt kamen hinzu.

 

Nehmen wir den Bereich Automotive. Die Tesla-Ansiedlung ist ein großer Erfolg. Erleben wir jetzt wieder mehr Ansiedlungen? Gibt es in naher Zukunft vielleicht positive Meldungen ähnlicher Größenordnung wie Tesla?

Sebastian Saule: Tesla ist in der Dimension sicher ein Einzelfall, der Ausreißer, um den uns Wirtschaftsförderkollegen in ganz Europa beneiden. So einen Coup hat man als Wirtschaftsförderer in der Regel nur einmal im Leben.  Die Entscheidung von Tesla hat Brandenburg jedoch in eine ganz andere Position gebracht. Brandenburg ist auf der internationalen Investorenlandkarte ganz stark in den Fokus gerückt,  wenn es um die Themen Elektromobilität und Energiewende geht. Da führen wir auch schon konkrete Gespräche.

Wir erleben aber auch aus ganz anderen Branchen, dass Brandenburg nun in den Fokus genommen wird. Entscheidend für eine Ansiedlung sind eine passende Fläche, die Verfügbarkeit von Fachkräften, die Nähe zu Partnern zum Beispiel aus der Wissenschaft und zunehmend auch die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien. Wir haben den höchsten Ausbaustand bei Onshore-Windkraftanlagen bundesweit. Wenn sie an Themen wie nachhaltige oder Co2-freie Produktion denken, wird das zunehmend ein standortentscheidender Faktor. Für Tesla war das auch ein wichtiges Argument.

 

Heißt das, dass uns das beschlossene Klimaschutzpaket bei künftigen Ansiedlungsvorhaben helfen wird?

Sebastian Saule: Ja, es spricht sehr für Brandenburg, dass wir Antworten auf die Fragen der Unternehmen geben können, die sich aus dem Klimaschutzpaket heraus ergeben. Und noch etwas hilft uns: Die brandenburgische Erfolgsgeschichte passt gut in die Erfolgsgeschichte der ostdeutschen Bundesländer insgesamt hinein. Nehmen sie die Chipindustrie in Sachsen, die erneuerbaren Energien in Mecklenburg-Vorpommern und die Batterieproduktionen in Sachsen und Thüringen. Da passiert unheimlich viel. Das erhöht nochmals die Wahrnehmung im internationalen Vergleich, weil die Region Ostdeutschland als Ganzes wahrgenommen wird. Als ein Gebiet, in dem viele Zukunftsthemen schon umgesetzt werden.

 

Porträt Sebastian Saule Geschäftsführer WFBB
Fofograf Andre' Wagenzik



Seit 15 Jahren wirbt die WFBB gemeinsam mit Berlin für die Hauptstadtregion. Wie läuft die Zusammenarbeit, immerhin ist Berlin ein starker Magnet. Vereinfacht gesagt: Hat Brandenburg die Flächen und Berlin bekommt den hippen, intellektuellen Teil? 

Sebastian Saule: Die Zusammenarbeit mit Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie läuft absolut auf Augenhöhe. Naturgemäß  gibt es in einer Metropolregion immer einen urbanen Kern und Teile, die weniger dicht besiedelt sind. Aus so einer Wirtschaftsgeografie heraus ergeben sich gewisse Schwerpunktbildungen. Tesla ist mit seinem hohen Flächenbedarf natürlich nicht nach Berlin-Mitte gegangen. Und ein FinTech-Startup wird nicht nach Grünheide gehen. Das liegt in der Natur der Dinge. In der Regel ergibt sich aus der Themenstellung, ob der Investor oder der Gründer an dem einen oder anderen Standort besser aufgehoben ist.

Im Zusammenspiel zwischen Brandenburg und Berlin geht es nicht um ein Konkurrenzverhältnis, sondern um ein synergetisches Zusammenwirken. Es gibt zunehmend Verlagerungen aus Berlin heraus, weil wachsende Mittelständler in Berlin ihren Flächenbedarf nicht mehr decken können. Davon profitiert Brandenburg.

 

Die Lausitz wünscht sich, näher an Berlin heranzurücken, sich als Teil der Metropolregion zu fühlen. Wird dies gelingen?

Sebastian Saule: Mit dem BER-Flughafen und seinem prosperierenden Umfeld ist die Hauptstadt näher an die Lausitz herangerückt. Grundsätzlich breitet sich das Wachstum in Brandenburg in konzentrischen Kreisen um Berlin herum aus. Das hat viel mit Berlin zu tun, aber nicht nur. Denn auf der anderen Seite passiert mit dem Strukturwandel in der Lausitz sehr viel. Das sind zwei Entwicklungen, die wie zwei Wellen aufeinander zulaufen und sich dadurch umso früher treffen.

Wichtig für die Lausitz ist die schnelle Bahnverbindung nach Berlin. Wir arbeiten zum Beispiel bei der Standortwerbung nicht mehr mit Kilometerangaben, also wie weit ein Ort vom anderen entfernt ist,  sondern mit Isochronen, also wie schnell man zu dem einen oder anderen Ort kommt. Das zweite Gleis zwischen Cottbus und Lübbenau wird insofern für die Lausitz einen Riesensprung bedeuten, was die Erreichbarkeit anbelangt.

 

Sie führen gemeinsam mit Berlin fünf Cluster. Bleibt die Clusterpolitik Kernpunkt der WFBB?

Sebastian Saule: Das Prinzip des „Stärken stärken“ und damit auch die Clusterpolitik sind Erfolgsmodelle unserer Arbeit. Die Konzentration auf wachstumsstarke Cluster hat sich bewährt. Die gemeinsame Innovationsstrategie mit Berlin ist zunächst bis 2025 ausgelegt. Das ist der Zeithorizont, in dem wir erst einmal denken. Die Clusterpolitik aber wird sicher darüber hinausgehen.

Sicher wird an der einen oder anderen Stelle nachgesteuert werden. Zudem verschieben sich die Schwerpunkte. Am Anfang waren wir eher beschäftigt, Strukturen aufzubauen, die Akteure zusammenzubringen, Gemeinschaften zu etablieren und so ein Vertrauensverhältnis zwischen Wirtschaft und Wissenschaft herzustellen.

Inzwischen geht es mehr darum, die Synergien und Potenziale zu erschließen, die es zwischen den Clustern gibt. Elektromobilität ist so ein Beispiel, wo die Themen Energie und Mobilität ganz synergetisch zusammenwirken. Im Zusammenwirken zwischen den Clustern spielt derzeit eher die Musik. Das sind dann die großen Transformationsthemen, mit denen sich die Menschen beschäftigen. Nachhaltigkeit, Klimaschutz, E-Mobilität, Digitalisierung: Alles Themen, bei denen die Cluster eine tolle Grundlage bilden, sich mit diesen Herausforderungen zu beschäftigen. Grundlage für die Cluster wiederum ist das Vertrauen aller Akteure zueinander und dass sie bereit sind, Dinge nach vorne zu entwickeln, Geheimnisse zu teilen und ins Risiko zu gehen. Das macht den Erfolg aus.

 

Die WFBB arbeitet an einem Gewerbeflächenkonzept. Haben wir genügend Flächen im Land für jeden Ansiedlungswunsch?

Sebastian Saule: Wir sind jetzt im Moment dabei, ein Industrie- und Gewerbeflächenkonzept im Auftrag des Landes und in Kooperation mit den Kreisen und Kommunen für das gesamte Land zu erstellen. Aktuell können wir jedem Interessenten passende Angebote machen. Wir wollen, dass das so bleibt. Da gilt es, alle Potenziale zu aktiveren, Flächen zum Teil aus dem Dornröschenschlaf wach zu küssen. Dieses Jahr sollen noch erste Ergebnisse vorlegt werden. Im nächsten Schritt geht es dann darum, diese Potenziale auch zu heben, damit das Land Brandenburg auch weiter mit dem Flächenstandortvorteil punkten kann.

 

Die WFBB hat meist das Große im Blick. Wenn es einen Standortwettbewerb innerhalb Brandenburgs um eine Ansiedlung gibt, wird es immer Gewinner und Verlierer geben. Wie gehen Sie damit um?

Sebastian Saule: Wichtig ist zu wissen: Es ist immer das Unternehmen, das die Standortentscheidung trifft – nicht die Landesregierung oder die WFBB. Es geht darum, sich bestmöglich zu präsentieren. Ansiedlungsinteressierte Unternehmen sind mit ganz objektiven Kriterienkatalogen unterwegs und haben meist ein Raster, das sie abarbeiten. Meistens zeichnet sich auch relativ schnell ein Standort ab, der die Nase vorne hat. Da können wir uns gar nicht mehr groß dazwischenwerfen.

Sofern wir die Standortentscheidung vom Investor erläutert bekommen, geben wir diese Rückmeldung an die Standorte, die nicht erfolgreich waren, weiter. Das ist einerseits eine ganz wichtige vertrauensbildende Maßnahme. Anderseits bekommen die unterlegenen Kommunen so die Möglichkeit, für einen nächsten Standortwettbewerb besser gerüstet zu sein, wenn es etwas gegeben hätte, was man hätte ändern können. Das ist Teil unserer Zusammenarbeit mit den regionalen Wirtschaftsförderern.

 

Die WFBB unterstützt seit einigen Jahren den Zukunftspreis. Die diesjährigen Finalisten spiegeln die Vielfalt der märkischen Wirtschaft wider. Worin liegt aus ihrer Sicht die Bedeutung solcher Wettbewerbe in sich stetig ändernden Zeiten?

Sebastian Saule: Der Zukunftspreis stellt positive Beispiele vor. Sie wirken nach innen und nach außen. Sie geben einerseits anderen Unternehmen im Land Brandenburg ein Beispiel  und wirken motivierend. Zudem zeigen sie über die Ländergrenzen hinweg, dass Brandenburg ein spannender Standort ist, den man sich selber anschauen sollte. Weil es dort tolle Unternehmen, Wissenschaftseinrichtungen und Menschen gibt. Das Interview führte: Michel Havasi



Schriftzug FB Bewerbung Zukunftspreis
Zukunftspreis Brandenburg

 Zum Zukunftspreis Brandenburg

Am 12. November 2021 entscheidet sich, wer den "Zukunftspreis Brandenburg" 2021 bekommt. Dann wird der wichtigste Wirtschaftspreis des Landes im Holiday Inn Berlin Airport Conference Centre in Schönefeld verliehen.  Zwölf Unternehmen haben die Chance, zu gewinnen.

Die Nominierten setzten sich gegen insgesamt 82 Unternehmen durch, die sich für den Preis in diesem Jahr bewarben. Sie stehen für besondere Leistungen in der Ausbildung, bei der Nachfolge, im Umgang mit Innovationen oder bei der Herstellung von nachhaltigen Produkten.

Der Zukunftspreis Brandenburg würdigt besondere unternehmerische Leistungen. Und damit Beispiele, die Mut machen: kreative, aktive und innovative Unternehmen und Unternehmer, die auch in schwierigen Zeiten die Ärmel hochkrempeln und in die Zukunft investieren.



Stele Glamour Zukunftspreis Brandenburg
goethe@foto-goethe.com



Nominiert sind:

- Grädler Fördertechnik GmbH aus Trebbin
- Pentracor GmbH aus Hennigsdorf
- Birkholz und Mohns Dentallabor aus Oranienburg
- MB Fensterbau und Tischlerei Mike Beelitz aus Planebruch
- Kjellberg Finsterwalde
- Spreewelten GmbH aus Lübbenau/Spreewald
- HARLEY STATION aus Königs Wusterhausen
- Konditorei Klinkmüller aus Luckau
- APUS-Aeronautical Engineering GmbH aus Strausberg
- UniCaps GmbH aus Frankfurt (Oder)
- Robert Engelhardt - Der Elektromeister GmbH aus Bernau
- BDP Baudenkmalpflege Prenzlau GmbH & Co. KG aus Prenzlau



 Alle Infos unter:  www.facebook.com/Zukunftspreis



 Vita Sebastian Saule

Nachdem Sebastian Saule 1998 sein Zweites Juristisches Staatsexamen erworben hatte, führte sein Weg in leitende Positionen bei der Industrie- und Handelskammer für die Pfalz in Ludwigshafen, der Deutsch-Australischen Handelskammer in Sydney und schließlich als Abteilungsleiter Standortpolitik, International bei der Industrie- und Handelskammer zu Koblenz.

2010 bis 2015 war er für die Berlin Partner GmbH als Bereichsleiter Außenwirtschaft, Geschäftsbereichsleiter Unternehmensservice I sowie Geschäftsbereichsleiter Industrielle Produktion, Optik und Berliner Bezirke tätig.

Im Juni 2015 wurde Sebastian Saule Geschäftsführer der ZAB ZukunftsAgentur Brandenburg GmbH, der heutigen Wirtschaftsförderung Land Brandenburg GmbH (WFBB), und war bis 2019 in Personalunion Geschäftsführer der ExpoCenter Airport Berlin Brandenburg GmbH. (Quelle: WFBB)



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